
Ganzheitliche Managementaufgabe
Die Arbeitswelt steht an einem Wendepunkt: Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich in rasantem Tempo und transformiert nicht nur Prozesse, sondern auch ganze Organisationsstrukturen. Unternehmen, die öffentliche Verwaltung und Institutionen erleben derzeit einen fundamentalen Wandel, bei dem es nicht mehr nur um Digitalisierung geht – es geht um das produktive Zusammenspiel von Mensch und Maschine, von Erfahrung und Algorithmen, von Intuition und Datenintelligenz.
Zentraler Treiber dieser Transformation ist der zunehmende Einsatz von KI-Systemen, die je nach Komplexitätsgrad der Aufgabe und vorhandener Erfahrung in Unternehmen unterschiedlich wirksam sind. In Bereichen mit hoher Standardisierung übernehmen KI-Agenten bereits heute repetitive Aufgaben vollständig autonom. In komplexeren, wissensintensiven Feldern entstehen hingegen hybride Arbeitsmodelle:
Der Mensch arbeitet Hand in Hand mit sogenannten „AI Twins“ – digitalen Zwillingen, die menschliches Verhalten nachahmen, Vorschläge liefern, Entscheidungen vorbereiten und final den Arbeitsalltag entlasten bzw. inhaltlich und operativ verbessern.
Fachkräftemangel als Katalysator
Der Fachkräftemangel wirkt dabei wie ein Katalysator: Unternehmen sehen sich gezwungen, Aufgaben neu zu verteilen und Kompetenzen technologiegestützt neu zu denken. Die „digitale Workforce“ wächst – nicht durch Neueinstellungen, sondern durch den gezielten Einsatz intelligenter Agenten bzw. Helfer. Die Frage lautet daher nicht mehr, ob KI in die Arbeit integriert wird, sondern wie die Zusammenarbeit zwischen menschlichen Mitarbeitenden und digitalen Akteuren effizient und zudem auch ethisch gestaltet werden kann.
Hier entsteht dann auch ein neues Verständnis von betrieblicher Führung. Die klassische Führungskraft als Entscheiderin und Kontrollinstanz wird durch neue Rollen ergänzt – etwa durch den „KI-Orchestrator“. Diese Rolle agiert an der Schnittstelle von Technologie, Organisation und Mensch. Diese KI-Orchestratoren müssen verstehen, welche KI-Systeme wofür einsetzbar sind, wie sich menschliche und maschinelle Kompetenzen sinnvoll ergänzen und wie neue Prozesse etabliert werden. Sie managen nicht nur Teams, sondern auch digitale Systeme – und sorgen für eine transparente, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine.
Enormes Potential
Die betriebliche Führung wird damit komplexer, aber auch strategischer. Sie muss technologischen Fortschritt verstehen, kulturellen Wandel begleiten und Lernräume schaffen. Es braucht eine klare Vision und neue Führungsprinzipien, die Selbstorganisation, Verantwortung und permanente Weiterentwicklung fördern. Gleichzeitig muss die Organisation bereit sein, Hierarchien zu hinterfragen, Silos aufzubrechen und interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern.
Es ist nachgewiesen, dass Unternehmen, die zu den digitalen Champions zählen, ein deutlich stärkeres Umsatzwachstum zu verzeichnen haben als jene Unternehmen die weniger auf Digitalisierung gesetzt haben. Das Zeitalter der KI erfordert nicht nur technologische Innovation, sondern vor allem organisatorische Intelligenz sowie mutige und transparente Führung. Unternehmen, die es schaffen, diesen Wandel aktiv zu gestalten, können enorme Potenziale entfalten: für Effizienz, für Innovationskraft und neue betriebliche Wertschöpfung – und für eine neue Qualität der Arbeit.
Jochen Borenich, CEO CANCOM Austria